Du hast bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen, warst lange in einem bestimmten Bereich tätig und willst deine Karrierechancen jetzt durch ein Studium verbessern? Dann hast du unter Umständen die Möglichkeit, das Studium deutlich zu verkürzen. Möglich wird das durch die Anrechnung von Leistungen, die du durch die Ausbildung, eine Weiterbildung und/oder die berufliche Tätigkeit erbracht hast. Maximal kannst du bis zu 50 % der zu erwerbenden Creditpoints (ETCS) durch die Anrechnung einer vorangegangenen Ausbildung oder Berufstätigkeit erhalten. In der Folge musst du deutlich weniger Lehrveranstaltungen besuchen und Prüfungen ablegen, womit sich die Ausbildungszeit deutlich verkürzt. Was du genau beachten musst und welche Formen der Anrechnung es gibt, erfährst du in diesem Artikel.
Welche Voraussetzungen musst du erfüllen?
Die Hochschulen aller 16 Bundesländer haben das Recht, vorangegangene Leistungen auf ein Studium anzurechnen. Sie entscheiden jedoch selbst, ob und in welchem Umfang sie dies ermöglichen – und legen auch die Voraussetzungen selbst fest. Einige Hochschulen werden einen bestimmten Notendurchschnitt fordern. Du benötigst also deine Zeugnisse, die du von der Berufs- oder Fachschule, dem Berufskolleg und deinen Arbeitgebern erhalten hast. Unter www.dabekom.de findest du eine Datenbank, die Informationen zur Leistungsanrechnung bei allen Studiengängen und Hochschulen in Deutschland enthält.
Wenn du keine Zeugnisse hast, weil du die Kompetenzen im Lauf deiner beruflichen Tätigkeit oder im Selbststudium erworben hast, ist dies kein Hindernis. Es gibt die Möglichkeit, sogenannte „informell erworbene Kenntnisse“ mittels einer Art vertieften Lebenslaufs nachzuweisen.
Wie funktioniert die Anrechnung?
Grundsätzlich wird zwischen zwei Anrechnungsmöglichkeiten unterschieden: Der pauschalen und der individuellen Anrechnung. Bei der ersten Variante geht das Prüfungsamt der Hochschule davon aus, dass die Inhalte, die dir während der Aus- oder Weiterbildung vermittelt wurden, mit denen des Studiums deckungsgleich sind. Bei der individuellen Anrechnung hingegen geht es darum, dass dein Wissensstand und deine Kompetenzen aus deinem Beruf den speziellen Lernzielen der jeweiligen Module gerecht werden. Bei beiden Formen musst du für jedes Modul einen gesonderten Antrag stellen und nachweisen, dass deine Kompetenzen dem Hochschulniveau entsprechen.
Einen Orientierungspunkt für die Einschätzung, ob deine Kenntnisse und Fähigkeiten ausreichen, erhältst du durch den Deutschen Qualifikationsrahmen, kurz DQR. Dieser erläutert acht Qualifikationsstufen, anhand derer sich Kompetenzen einem bestimmten Niveau zuordnen lassen. Ein Bachelorstudium entspricht dabei der Qualifikationsstufe sechs, Grundlagen- und Einführungsveranstaltungen können jedoch „nur“ die Stufe vier erreichen. Das bedeutet, dass du dir für dieses Veranstaltungslevel auch Kompetenzen anrechnen lassen kannst, die in die vierte Stufe eingeordnet sind.
Wissenswertes zur individuellen Anrechnung
Während du bei der pauschalen Anrechnung nur den Antrag stellen musst, ist die individuelle Anrechnung mit mehr Aufwand verbunden. Für jedes Modul musst du eine schriftliche Begründung einreichen, in der du darlegst, wann, wo und wie du die erforderlichen Kompetenzen erlangt hast. Zusätzlich musst du Arbeitszeugnisse vorlegen, die nachweisen, dass die Inhalte deiner Ausbildung sich mit denen des Studiums decken. Wenn du kein Zeugnis hast, können dir die Kenntnisse aus deinem Beruf trotzdem angerechnet werden. Du musst in diesem Fall jedoch die Modulprüfung an der Hochschule bestehen. Der Besuch der Veranstaltungen entfällt dabei.
Welche Schwierigkeiten und Nachteile können dir begegnen?
Generell solltest du dir darüber im Klaren sein, dass eine berufliche Ausbildung in Deutschland wenig mit der Ausbildung an Hochschulen gemeinsam hat. An (Fach-)Hochschulen werden dir theoretisches Wissen und wissenschaftliche Methoden vermittelt, die dich zur Lösung neuartiger Probleme befähigen sollen. Bei einer Berufsausbildung erwirbst du hingegen Kenntnisse, die praktisch angewendet werden können und darauf abzielen, auf bekannte Schwierigkeiten in dem jeweiligen Berufsfeld richtig zu reagieren. Damit du im Studium erfolgreich bist, benötigst du die entsprechenden theoretischen Grundlagen und das Grundwissen, auf dem die künftigen Lehrveranstaltungen aufbauen.
Eine weitere Hürde ist der Umstand, dass du vor der Beantragung der Anrechnung selbst genau prüfen musst, welche deiner Leistungen auf welches Modul anrechenbar sein könnten. Es kann schwierig sein, dies richtig einzuschätzen. Außerdem solltest du beachten, dass eine einmal erfolgte Anrechnung nicht rückgängig gemacht werden kann, da sie dem Ablegen einer Prüfung entspricht.